oper von georges bizet
Der Mythos Carmen hat viele Gesichter und wird jedes Mal auf der Bühne neu erzählt. Wird man als Carmen geboren oder wird man es? Unerhört für das Pariser Publikum der Uraufführung ist nicht nur das Portrait einer selbstbestimmten Frau, sondern der zur Schau gestellte Realismus:
Carmen ist Arbeiterin, vielleicht Prostituierte und auch noch eine „Bohème“, eine freigeistige anti-bürgerliche Paria. Unerhört aus heutiger Sicht ist die Art und Weise, wie sie ihr letzter Liebhaber, Don José, besitzen will. Der Außenseiter entpuppt sich als ihr hartnäckigster Verehrer. Dem eigenbrötlerischen Sergeant winkt ein bürgerliches Leben. Als sie droht, weiterzuziehen, durchlebt Don José ein neues Gefühl – rasende Eifersucht, die die einstige Liebesgeschichte ihrem tragischen Ende entgegentreibt. In Rahel Thiels Inszenierung reißt Carmen ihr Publikum Hals über Kopf in menschliche Abgründe.
libretto von henri meilhac und ludovic halévy nach der gleichnamigen novelle von prosper mérimée | uraufführung am 3. März 1875 an der opéra comique, paris | in französischer sprache mit deutschen übertiteln
musikalische leitung: rasmus baumann nachdirigat: peter kattermann / nickolas kudo regie: rahel thiel bühne: dieter richter kostüme: renée listerdal licht: thomas ratzinger chor: alexander Eberle dramaturgie: anna chernomordik
carmen: lina hoffmann don josé: khanyiso gwenxane micaëla: heejin kim escamillo: petro ostapenko / piotr prochera frasquita: dongmin lee / scarlett pulwey mercédès: anke sieloff remendado: tobias glagau dancaïro: adam temple-smith morales: yangchen chen / oleg lebedyev zuniga: philipp kranjc / damien matushevsky lillas pasta: georg hansen
opernchor des musiktheater im revier und neue philharmonie westfalen
premiere am 13. märz 2022 · musiktheater im revier gelsenkirchen










































fotos (c) monika und karl forster
carmen wird in dieser inszenierung zu einer öffentlichen person, deren leben, lieben, affären und sterben nicht mehr privatsache ist. durch diese sichtweise erhält das CARMEN-finale ein deutliches plus an packender intensität. (…)
thiels regie ist auch die regie der kleinen aufmerksamkeitszeichen. immer dann, wenn sie ihre darstellerInnen abseits der szene agieren lässt, lässt sie dadurch einen besonderen blick auf die jeweiligen gemütslagen zu. eine verführerische, lebenslustige, männerfantasien anregende und starke carmen wird dabei zu einer nachdenklichen und verletzlichen frau. (…)
eine CARMENinszenierung mit vielen feinheiten, insbesondere im zwischenmenschlichen, aber durchaus auch konventionell im positiven sinne zu nennen. eine inszenierung, die durchaus den blick auf die gleichberechtigung der frauen in der gesellschaft wirft und die die eigentlichen machos in dieser oper zu getriebenen ihrer eigenen sicht auf die scheinbare männliche lebenswirklichkeit werden lässt. eine inszenierung, die fragen aufwirft. aber auch die frage danach, ob diese geschlechtertypischen klieschees immer noch vorherrschend sind oder ob auch sie, wie so vieles, sich im wandel befindet. gerade mit blick auf die heranwachsenden und kommenden generationen.
das opernmagazin, detlef obens
carmens tod ist, im gegensatz zu anderen gewaltsamen morden oder mordversuchen per pistole, fein differenziert. für sie hat don josé ein messer besorgt. das blut fließt dabei nicht, sondern wird durch einen hängenden und mit blut markierten stier in der arena symbolisiert, ganz klar, kurz und bündig. szenisch ist das hervorragend gelöst.
diese CARMEN-inszenierung überwindet klischees, ohne dabei den charakter der oper zu verändern. die figur carmen wirkt selbstbestimmt und konsequent.
abenteuer ruhrpott
rahel thiel, lässt in ihrer aktuellen inszenierung den konflikt zwischen carmen und don josés bürgerlichen beziehungsträumen langsam hochkochen. alles beginnt ganz harmlos. und doch ist in don josés fast kindlichen schwärmen schon der unüberbrückbare antagonismus zu carmens antibürgerlichen vorstellungen angelegt – sowohl in bizets musik, als auch in thiels regiekonzept.
nmz online, christoph schulte
was rahel thiel so provokativ wie eindringlich präsentiert, ist eine verrohte gesellschaft bei der nicht nur voyeurismus, sondern auch sexuelle belästigung an der tagesordnung ist. (…) gleichzeitig findet eine zielgerichtete entwicklung vom amüsiertheater zur tragischen oper statt. genial gelingt dabei der letzte akt, in dem don josé seinen liebesanspruch auf carmen durchsetzen will. rahel thiel verlegt diese finale konfrontation der ex-liebenden in die, von dieter richter grandios entworfene stierkampfarena selbst (…).
recklinghäuser zeitung, klaus stübler
rahel thiels regieidee (…) im finale mit packender härte erzählt. (…) thiel streicht das gros der dialoge, stummes spiel handelt von demütigung, von abhängigkeit, und von jener allianz der außenseiter (…) mit vielen fantasievollen extras, geraten thiels tableaus und bewegtes, allen voran die schmuggler sämtlich wundervoll (…)
WAZ, lars von der gönna